Im Netz fischen ohne ins Netz zu gehen…

Nach der Diagnose,  habe ich als erstes mal Googleorakel befragt,  wie man es halt, sehr zum Leidwesen der Ärzte, in unserer digitaler Welt  macht. Da prallten dann Welten aufeinander,  wie es im Internet eben üblich ist. Von Verschwörungstheoretikern,  die Diabetes für eine Erfindung der CIA und/oder den Chemiemultis halten bis zu agressiven Gruppierungen,  die Diabetes für selbstverschuldet halten.  Auf der anderen Seite sind jene,  die mit schockierenden Fotos und Beschreibungen jede potentiell mögliche Folgeerkrankung beschreiben und als unabwendbares Schicksal jedes Diabetikers bezeichnen. Und die ewigen Schulmedizinverachter fehlen natürlich auch nicht mit ihren absurden Heilmitteln. Erstes Fazit lautet also,  dass Recherche im Internet frisch diagnostiziert doch mit größter Vorsicht zu geniessen ist.

Gottseidank,  wurde ich am Unispital Zürich schnell mit gaaaanz vielen Informationen eingedeckt (die mir persönlich wichtigste: Ich brauche keinerlei Diät!) aber auch über die Folgekrankheiten und den Umgang mit Diabetes im Alltag. Danach war ich doch schon viel beruhigter und wusste nun,  was ich zu tun hatte,  um eben diese Folgekrankheiten möglichst zu vermeiden. Eine meiner grössten Ängste war die,  vor der Impotenz,  sprich erektile Dysfunktion infolge Durchblutungsstörungen,  die im Internet in allen Facetten und mit Erlebnisberichten breitgeschlagen wird. Hier war mir meine Diabetesberaterin eine grosse Hilfe… nein,  nicht so,  wie ihr jetzt denkt… menno! Sie erklärte mir,  dass bei guter Einstellung solche Folgen,  wie auch Augenschäden und sog.  Diabetesbeinen praktisch auszuschließen seien.

Mit diesen Informationen „bewaffnet“  machte ich mich im Internet auf die Suche nach „Betroffenen-Selbsthilfechatgruppen“ und wurde fündig.  Am Anfang einer Diabetiker-Karriere ist es wichtig Ansprechpartner bei Unsicherheiten,  Fragen zu Dosierung und Verhältnis mmol/l –  KH z. B. oder „Notfällen“ zu haben. Mit der Zeit verschieben sich die Funktionen,  man wird selber zum „Berater“.  So organisiert finde ich solche Gruppen im Internet unheimlich hilfreich. In dieser Gruppe (Link am Ende des Artikels) hat Diabetes die Funktion einer Klammer innerhalb derer sich die diversesten Leute über diverseste diabetesbezogene oder andere Themen austauschen.  Das macht sie so wertvoll.  Sie stellt das Leben in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit.

Allerdings sollte man sich den Gefahren einer jeder Selbsthilfegruppe bewusst sein:

– Der Fixierung auf die Krankheit,  die so zum alleinigen Lebensinhalt ja fast zur eigentlichen Existenzberechtigung wird, d.h. das Leben, die Existenz wird praktisch ausschliesslich über die Krankheit definiert. Das führt dazu,  dass jede Veränderung des Gesundheitszustand sich 1:1 auf die Gruppe niederschlagen kann. Zudem kann eine solche Fixierung zu eigenartigen Ausfällen gegen Mitglieder,  deren Zustand sich verbessert,  führen. In einer solchen Gruppe fühlt sich jemand,  der die Krankheit nicht als Existenzgrundlage betrachtet, also alles dafür gibt, geheilt zu werden manchmal sehr isoliert. Ja solches Verhalten kann sogar als Verrat an der gemeinsamen Sache angesehen werden. Solches muss nicht,  kann aber passieren.

– Selbstmitleid ist direkt nach der Diagnose sicher angebracht und mag auch hilfreich sein. Auf lange Sicht hingegen,  bringt Selbstmitleid nicht wirklich was. Im Gegenteil, es verhindert den nüchternen Blick auf die Krankheit und den Möglichkeiten und sie zu heilen. In solchen Gruppen wird,  überspitzt ausgedrückt, die Krankheit gefeiert nicht die Heilung (s. o.) . Dass dies nicht „zielführend“  sein kann,  muss ich hier nicht weiter ausführen. Häufig finden sich hier auch vehemente Gegner der Schulmedizin,  die teilweise absurde Heilmittel anpreisen. Auch hier fühlt sich jemand,  der an seiner Heilung oder an der Verbesserung seiner Lebensqualität arbeitet fehl am Platz vorkommen.

Beide erwähnten Gruppierungen haben den selben Effekt: Sie ziehen mental runter und verhindern eher eine Genesung als dass sie dabei helfen. Es gibt aber eben auch andere Gruppen (s.o. oder bei den Links), die eben echte Lebenshilfe und Unterstützung in der Bewältigung der Krankheit bieten und so den Alltag und die Lebensqualität verbessern können.

Natürlich spielen auch die Sozialen Medien eine grosse Rolle und im Fall Diabetes kenne ich vorallem Gruppierungen auf Facebook und Twitter. Vorallem die Facebookgruppe *Diabetiker aus der Schweiz“ ist sehr lebendig und tauscht sich fleissig über Diabetikergadgets, BZ-Werte oder „Diabetiker-Sünden“ aber auch zu ausserdiabetischen Themen aus.

So,  jetzt wäre wohl ein Fazit fällig: Gruppen,  die das Leben in den Mittelpunkt stellen und nicht die Krankheit sind zu empfehlen.  Bei allen anderen Gruppierungen würde ich die Hände von der Tastatur lassen.

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http://diabetes-blog-woche.de/

Gruppe die ich empfehlen kann:

http://www.diabetesclub.ch/

Für aktivere Nachteulen und Griller empfehle ich

http://wearehoney.org/

Facebook

https://www.facebook.com/wearehoney?fref=ts

Facebook gruppe „Diabetiker aus der Schweiz“

https://www.facebook.com/groups/437000549767307/

2 Gedanken zu “Im Netz fischen ohne ins Netz zu gehen…

  1. Hallo Gerri Häfele,
    Deinen Artikel zu Foren oder Blogs über Diabetes finde ich sehr ausgewogen, und die Darstellung Deiner eigenen Erfahrung mit derartigen Foren ist sehr plausibel und verständlich. Tatsächlich trifft das, was Du beschreibst auch auf Selbsthilfegruppen zu, die sich in persona, also nicht (nur) im Netz treffen. Ein Motiv, das bei schweren Erkrankungen, die unheilbar sind, halt auch immer eine große Rolle spielt, ist die Vereinsamung, das Herausfallen aus dem Berufsleben mit all seinen Kontakten, aber auch aus dem Freundeskreis.

    Vielleicht interessiert Dich mein jüngster Artikel zu dem Thema Patientenforen, der noch einen anderen Aspekt beleuchtet. Siehe
    http://federfluesterin.wordpress.com/2014/07/08/patientenforum-arztekonkurrenz/

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